Text des Interviews zum 20jährigen Jubiläum der Stiftung Brücke am 26.6.2021
InterviewpartnerInnen: Bettina und Peter Haas, GründerInnen von Stiftung Brücke
Medium: Film und Text auf Website
Datum Interview: 16.8.20
Rückfragen bitte richten an: Dr. Klaus Heidler,
Tel 0179 205 6823, heidler@trainingmoderation.de
Geschichte von Stiftung Brücke
Am 26.6.2021 wird Stiftung Brücke 20 Jahre. Aus diesem Anlass entstand ein Interview mit Bettina und Peter Haas zur Geschichte der Stiftung. Dazu gibt es einen Film von Sigrid Leder-Zuther und die vorliegende Zusammenfassung des Textes von Klaus Heidler
Peter:
Ich hatte mich in meinem Leben lange mit Fragen der Gerechtigkeit auseinandergesetzt und darüber auch meine Doktorarbeit in Philosophie geschrieben. Welche Wurzeln hat die Ungerechtigkeit? Wie könnte man das besser machen? Wie könnte man diese komplexe Welt so bewegen, dass es weniger Ungerechtigkeit gibt?
Warum eine Stiftung? Ich habe mich mit verschiedenen Organisationsformen beschäftigt und festgestellt, dass die älteste Organisationsform in Deutschland die Stiftung ist – 800 Jahre. Wenn etwas 800 Jahre und alle Kriege übersteht, dann muss es eine Organisationsform sein, die irgendwie nicht schlecht ist.
Bettina:
Wir waren von Berlin ins Badische Ländle gezogen, wir hatten unsere Kinder großgezogen und waren noch dabei, sie großzuziehen, es ging uns gut, wir hatten auch ein bisschen Geld auf der hohen Kante und wollten, dass auch andere davon etwas abhaben. Die Idee, einer Organisation beizutreten war schnell vom Tisch, weil wir so viele eigene Ideen hatten, die wir umsetzen wollten. So kamen wir auf die Stiftungsidee.
Peter:
Eine typische Stiftung lebt von einem großen Kapital, das arbeitet. Von den Zinsen wird dann der Stiftungszweck erfüllt, ohne das Kapital aufzuzehren. So eine Stiftung kann theoretisch ewig arbeiten. Wir hatten nicht so ein großes Kapital, deshalb sind wir auf Spenden angewiesen, die die Zinsen ersetzen. Ich mag außerdem keine Vereinsmeierei und eine Stiftung ist relativ hierarchisch aufgebaut. Sie ist klar strukturiert und es gibt nicht immer ewige Debatten über alles Mögliche. Die eigentliche Gründung ist nur etwas Papierkram.
Peter:
Wir hatten keine großen Erfahrungen mit Entwicklungszusammenarbeit, auch nicht viele Kontakte. Wir haben einfach einen Förderpreis weltweit ausgeschrieben. Die Ziele des Projektes, das dann den ersten Preis bekommen sollte, waren entsprechend unserer Vorstellungen von sinnvoller Entwicklungszusammenarbeit definiert. Also mit sehr viel Eigeninitiative der Betroffenen und klein, weil unsere Geldmenge nur für kleine Projekte reicht.
Bettina:
Als wir unseren ersten Projektbesuch in Huzurikanda, einem Dorf im Norden von Bangladesh, dem Projektgebiet unserer Partnerorganisation MATI, gemacht haben, gab es ein schönes Erlebnis: Eine kleine Frau zog Peter am Hemd, um ihm die Kuh und das Kälbchen zu zeigen, die sie mit den Projektmitteln als Einkommen schaffende Maßnahme angeschafft hatte.
Peter:
Das kann ich nicht sagen. Für mich sind alle Projekte, die wir realisiert haben, Lieblingsprojekte. Ich kann nur sagen, dass ich am Anfang zweimal den Fehler gemacht habe, mir hier in Deutschland auszudenken, was dort vor Ort das Beste zu tun wäre. Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, dass wir uns Zeit nehmen müssen, um mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, was sie wirklich brauchen.
Das eine Beispiel war ein Solarkocher. Ich dachte, Feuer vernichtet Ressourcen, es ist besser mit Solarenergie zu kochen. Ich habe einen Solarkocher nach Bangladesh geschickt und das ist schief gegangen. Die haben zuerst den extra geschwärzten Topf blank geputzt. Damit war die Solarenergie nicht mehr so gut nutzbar. Noch entscheidender war: Mittags ist dort Gluthitze. Da isst kein Mensch, sondern frühestens 18:30..19 Uhr, wenn die Sonne untergeht. Dann funktioniert aber der Solarkocher nicht mehr. Das war also von vorne herein verkehrt.
Das andere Beispiel war Äthiopien. Ich habe dafür gesorgt, dass sie dort Kühe anschaffen, die mehr Milch geben. Eine äthiopische Kuh gibt nur 1,5-2 Liter Milch, eine europäische deutlich mehr. Die Folge war, dass die europäischen Kühe das dürre Gras nicht gefressen haben und man musste Futter kaufen, das am Ende so teuer war, wie der Ertrag der Milch.
Peter:
Ein großer Erfolg war unsere Idee, die Millenniumsziele der Vereinten Nationen an einem Dorf exemplarisch zu realisieren. Das wurde so ein Erfolgsmodell, dass der Projektleiter in Paris auf internationalen Konferenzen davon berichten konnte. Wenn man etwas exemplarisch umsetzt, hat es Wirkung, denn man hat gezeigt. dass es funktioniert, es ist keine Theorie!
Peter:
Ich schöpfe die Energie aus den Erfolgen, die die Menschen vor Ort haben und aus der erstaunlichen Hilfsbereitschaft im Freundeskreis der Stiftung Brücke. Ohne diesen Kreis, der im Engeren vielleicht 40 Menschen, im Weiteren einige Hundert Menschen umfasst, könnten wir das gar nicht machen. Diese Menschen unterstützen uns mit ihrer beruflichen Kompetenz, mit ihrer Lebenserfahrung und natürlich auch finanziell. Das finde ich sehr toll.
Bettina:
Ich habe gelernt, mich nicht von dem winzig kleinen Tröpfchen, das wir da in den Ozean werfen, beirren zu lassen. Meine Beziehung zu den Personen, mit denen wir da zusammenarbeiten wird immer tiefer. Ich fühle mich persönlich verantwortlich, ja verpflichtet, weiter zu machen. Selbst wenn Bangladesh eines Tages überflutet würde, weiß ich, dass ich dafür gesorgt habe, dass einige Familien besser und gesünder leben konnten. Und wenn in Burkina Faso doch irgendwann der IS eingefallen ist, dann weiß ich, dass ich mit dazu beigetragen habe, dass die Mädels dort Bildung bekommen haben.
Ein anderes Fazit ist, dass wir uns noch mehr auf Bildung, insbesondere auf Mädchenbildung konzentriert haben.
Bettina:
Ein wichtiges Anliegen ist, dass die Stiftung unabhängig von uns GründerInnen Bestand hat. Dazu wollen noch mehr Menschen, auch Jüngere, begeistern, an die wir dann den Stab endgültig weitergeben, wenn wir nicht mehr können, damit das Ganze weitergeht.